Schnell wachsende Schwellenländer wie Brasilien oder Indien bieten Schweizer Unternehmen grosse Chancen als Exportmärkte. Doch Lieferungen dorthin sind auch mit Risiken verbunden. Der jährliche Exportrisiko-Monitor des Kreditversicherers Euler Hermes Schweiz zeigt die grössten Gefahren, mit denen sich Schweizer Firmen beim Handel mit Schwellenländern konfrontiert sehen. Mark Schulz, Director Risk, Claims & Collections, gibt Tipps, wie sich Unternehmen vor den sieben häufigsten Risiken schützen können.
Das Währungsrisiko wird von der Schweizer Exportwirtschaft als sehr hoch eingeschätzt – auch beim Export in Schwellenländer. Unternehmen sichern sich häufig durch Rechnungsstellung in Euro und Franken oder den Kauf von Optionen ab. Oft vergessen sie dabei allerdings, dass auch der Kunde im Zielland einem Währungsrisiko unterliegt. «Viele Unternehmen sichern sich zwar selbst gut gegen Währungsrisiken ab», stellt Mark Schulz fest, «das Problem ist aber, dass ihre Kunden in Schwellenländern dies nicht unbedingt machen.» Wenn der Käufer zum Beispiel in einer Fremdwährung Waren einkaufen muss, diese aber nur in der eigenen Währung absetzen kann, kann er ohne Absicherung in Liquiditätsprobleme geraten – «Unternehmen sollten deshalb auch immer einen Blick auf die Währungsabsicherung ihrer Partner werfen», rät Schulz.
Konjunkturrisiken betreffen alle exportierenden Firmen: 77 Prozent der Schweizer Unternehmen gaben an, stark oder mittelstark von diesen betroffen zu sein. In Schwellenländern können sie jedoch besonders heftig ausfallen. «Gerade in Schwellenländern kann es sein, dass Kunden, die jahrelang zuverlässig bezahlt haben, plötzlich ausfallen», warnt Schulz. Wenn diese Unternehmen in Konkurs gehen, «sieht man womöglich sein Geld nie wieder». Ein Grund liege auch im in Schwellenländern oftmals nicht funktionierenden Konkurs- und Insolvenzrecht. Verhandlungen sind dann die einzige Option, um allenfalls langlaufende Rückzahlungspläne zu vereinbaren. Unter den Schweizer Unternehmen gaben daher 52 Prozent an, dass sie ihre Exporte über mehrere Zielländer streuen. Die Idee dahinter: Je mehr man als Unternehmen seine Exportmärkte diversifiziert, desto geringer ist das Klumpenrisiko, wenn es in einem Land mal schlechter läuft.
Zahlungsausfälle sind ein typisches Problem beim Handel mit Schwellenländern. Akkreditive, Garantien und spezielle Kredit- und Exportkreditversicherungen sind ein Mittel, um sie abzusichern. In der Umfrage sahen 55 Prozent der Teilnehmenden dieses Risiko für ihre Unternehmung. «Allerdings kann die Absicherung in Schwellenländern sehr teuer werden», so Schulz. «Hinzu kommt, dass hier Schweizer Unternehmer grundsätzlich lange auf ihr Geld und ihre Ware warten müssen.» Das müsse letztlich im Preis berücksichtigt werden und könne im Extremfall auch dazu führen, dass sich ein Verkauf in solchen Ländern nicht mehr rechne. Die häufigste Absicherungsmassnahme ist auch deshalb die Vorauszahlung oder mindestens die Anzahlung fälliger Beträge, die 79 Prozent der Befragten anwenden – eine Methode, die tendenziell immer häufiger praktiziert wird.
Unternehmen, die in Schwellenländern investieren, müssen sich auch mit politischen Unwägbarkeiten auseinandersetzen. Beispiele hierfür sind aktuell die Türkei, Brasilien und auch Russland, allesamt grosse und bedeutende Ökonomien. An oberster Stelle der Risiken stehen mögliche oder bereits bestehende Sanktionen. Diese können die Wirtschaftsbeziehungen ganzer Industriezweige plötzlich austrocknen. Häufig fürchten sich Schweizer Unternehmer aber auch vor Enteignungen, Beschlagnahmungen und staatlicher Willkür. 47 Prozent der Befragten in der Euler Hermes-Umfrage gaben an, dass sie stark oder mittelstark von solchen Risiken betroffen seien. Als oberste Sicherungsmassnahme verlangen sie sehr häufig eine Voraus- oder Anzahlung (69 Prozent) von Kunden und Lieferanten in diesen Ländern, sie schliessen Akkreditive ab (31 Prozent) und setzen auch verstärkt auf eine kompetente Rechtsberatung vor Ort (16 Prozent).
Die politische Lage in Schwellenländern kann schnell zur Gefahr für die eigenen Mitarbeiter werden. «Wenn Unternehmen auf schwarze Listen einer Regierung geraten, wird aus dem politischen Risiko auch ein Sicherheitsrisiko», so Schulz. 27 Prozent der Unternehmen gaben deshalb den Abzug von Mitarbeitern als eine mögliche Sicherungsmassnahme an, 31 Prozent setzen auf proaktive Information ihrer Mitarbeiter. Immerhin 3 Prozent der Unternehmen haben in den letzten zwölf Monaten ihre Mitarbeiter tatsächlich häufig aus Ländern mit Sicherheitsrisiken abgezogen. Neben Gefahren, die sich aus politischen Risiken entwickeln, werden unter diesem Punkt zum Beispiel auch Vulkanausbrüche, Überschwemmungen und Erdbeben genannt.
Kulturelle Missverständnisse können die Beziehung zu einem Kunden erschweren. Von den Befragten gaben 35 Prozent an, dass dieses Risiko für sie ein Thema sei. «Referenzen einholen und die Bonität anschauen» – das sind für Schulz zwei Massnahmen, wie Schweizer Unternehmen dieses mindern können. Ein Teilnehmer der Umfrage nannte sein Erfolgsrezept: «Respekt, Anstand und Humor funktionieren.» Daneben pflegen 61 Prozent der Befragten einen sehr engen Kontakt zu Vertriebspartnern und berücksichtigen die interkulturelle Erfahrung bei der Rekrutierung von Mitarbeitern (39 Prozent). «Am Ende ist es auch immer ein Bauchgefühl, ob es mit einem Vertriebspartner vor Ort klappen könnte», schildert Schulz. Seiner Erfahrung nach gibt es deshalb auch häufig nach einer gewissen Zeit einen Vertriebspartnerwechsel. In manchen Ländern, wie etwa Brasilien, mache es Sinn, gleich zwei oder drei Vertriebspartner für unterschiedliche Regionen zu suchen. «Dadurch streut sich dann auch das Risiko», so Schulz.
Rechtsunsicherheit sehen 39 Prozent der befragten Schweizer Unternehmen als Risiko beim Handel mit dem Ausland. Ein immer wiederkehrendes Thema beim Handel mit Schwellenländern ist Korruption. «Viele behandeln das Thema recht lax», kritisiert Schulz. Auf tiefem Niveau bleibt so die Absicht, Gesetze zur Korruptionsbekämpfung im Exportland einzuhalten. 2017 sahen nur 37 Prozent der Befragten dies als eine wichtige Aufgabe an. Eigene, interne Corporate-Governance-Richtlinien gegen Korruption wollten nur 29 Prozent einführen und einhalten. Das kann vor Ort auch tatsächlich schwierig sein: Wenn Geschäfte ohne das nötige Schmiergeld nicht laufen, stehen Schweizer Unternehmen vor einem Dilemma. Aussenhandelsverbände wie etwa swiss export oder Switzerland Global Enterprise beraten Unternehmen auch in diesen Belangen kompetent. «Die Korruption einfach mitzutragen, kann sich aber bitter rächen», mahnt Schulz.